Lausitzer Rundschau vom 26. Februar 2015 - hier Printausgabe

Text zum Interview "Karikatur ist kein Selbstzweck, sondern Reaktion"

 

Herr Nicolai, Karikaturen, Cartoons und Satire treten nicht erst seit dem Anschlag auf das französische Satire-Magazin Charlie Hebdo in tragischer Weise in einen politischen Vordergrund. Was macht Karikaturen so mächtig?

Von dieser Macht träumen die Karikaturisten und Satiriker leider nur, von der heilenden Wirkung der Kritik und der Weltherrschaft der Vernunft.

Mit ihrer Arbeit etwas bewirken zu können oder die Menschheit wachzurütteln davon sind sie meist weit entfernt. Die Wahrnehmung in Gesellschaft und Kultur ist sonst eher eine viel zu geringe. Um dies zu verändern gibt es uns als Verband Cartoonlobby und unser Museum.

Nur zweimal im Abstand von zehn Jahren sind Karikaturen wegen des Abdrucks von Mohammed zu Schlagzeilen geworden. Karikaturen haben dies auch nicht bewirkt, sondern waren nur der Anlass für religiöse Fanatiker die Massen aufzuhetzen und für ihre Zwecke zu missbrauchen. Schlimm und verachtenswert dass dafür Menschen sterben müssen.

Den Umgang mit unterschiedlichen Glaubensrichtungen und Traditionen in einer globalen und medialen neuen Welt werden wir alle noch schmerzlich lernen müssen.

Erst kürzlich wurde in einer Diskussionsveranstaltung im Museum für Humor und Satire in Luckau die Frage gestellt, was Satire darf. Was darf denn Satire?

Prinzipiell sollte Satire alles dürfen, dass hat auch die Gesprächsrunde bestätigt. Sie ist eine elementarer Bestandteil der Meinungsfreiheit, die in Europa hart erkämpft wurde und für die auch bei uns die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen wurden. Frankreich hat in der Geschichte dabei eine wichtige Vorreiterrolle gespielt. Die weltweiten Solidaritätsbekundungen zu den Anschlägen von Paris waren deshalb auch eine entschlossene Demonstration zur Verteidigung unserer Wertvorstellungen von der Freiheit der Presse und der Kunst. Karikatur ist kein Selbstzweck, sondern immer eine Reaktion auf die Verhältnisse. Satire verteidigt die vermeintlich Schwachen gegenüber der Willkür der Herrschenden. Sie deckt Missstände auf und prangert Fehlverhalten an. Eine Karikatur richtet sich nicht gegen die Religionen an sich oder ethnische Gruppen, sondern gegen Diejenigen, welche diese zu einem Werkzeug der Unterdrückung oder des gesellschaftlichen Rückschritts machen.

Im Januar haben Sie von einem mäßigen Besucherinteresse an den Ausstellungen im Luckauer Museum gesprochen – rund 2000 Besucher seien im vergangenen Jahr zu Gast im Kreisarchiv. Spüren Sie ein größeres Interesse an Satire und Karikatur seit Charlie Hebdo? Wenn nein, wundert es Sie, dass ein solches Ereignis das Interesse an dieser Kunst- und Meinungsform nicht befeuert hat?

Nun Luckau ist nicht gerade ein Barometer für Besucherresonanz und das Interesse an einem Kunstgenre. Manche Galerie, auch anderswo, würde sich vielleicht über solche Besucherzahlen freuen. Aber man kann erfahrungsgemäß eigentlich mehr Menschen erreichen mit den Komischen Künsten. Und wir müssen das auch, weil wir dieses Projekt aus eigenen Mitteln selbst tragen. Im Moment ist noch Vorsaison, aber zeitnahe Themen und eine Wahrnehmung in der Presse steigern das Interesse an unserer Arbeit. Das hat auch die gut besuchte Veranstaltung zur Satire gezeigt.

Sie haben bereits angekündigt, dass das Kreisarchiv in der Berstestadt nur eine Zwischenstation für das Museum sein soll. Künftig soll das Museum in Berlin oder Potsdam Besucher locken – sind Satire, Humor und Karikatur Großstadtthemen? Was treibt Sie aus Luckau heraus?

Wir sind nicht „auf der Flucht“ mit unserem Museumsprojekt. Von Anfang an steht fest, dass dies nur vorläufiges Domizil ist, denn irgendwann wird auch unser Ausstellungsraum zum Archiv. Wir haben dort erst einmal optimale Bedingungen vorgefunden für unsere Arbeit und können mit der Sammlung als Museum agieren. Dieses Jahr startet die Suche nach neuen Standorten, denn so etwas wird ja auch nicht von heute auf morgen.

Großstädter haben nicht mehr Interesse an Humor und Satire, aber es sind immer so schön viele auf einem Fleck und so toll erreichbar. Viele unserer derzeitigen Besucher kommen ja schon von weit her, da sollte man ihnen entgegenkommen.

Fast jede Tageszeitung setzt auf Karikaturen – warum sind es gerade die gezeichneten Witze, die so beliebt sind, um Meinungen zu äußern?

Leider setzen inzwischen immer weniger Zeitungen auf immer weniger Karikaturisten, was für den Berufsstand nicht wirklich förderlich ist. Wenn Sie Tageskarikaturen meinen, dann ist kein anderes Medium so gut geeignet auf anschauliche und verknappte Weise Zusammenhänge in der Politik zu verdeutlichen und zu hinterfragen.

Wie schätzen Sie den künstlerischen Stellenwert von Karikaturen ein? Sind Karikaturisten Künstler, Journalisten, Politiker? Wie blickt Ihrer Meinung nach die Gesellschaft auf Karikaturisten? Welche Position haben Karikaturisten Ihrer Meinung nach verdient?

Karikaturisten sind mit ihren Arbeiten Chronisten unserer Geschichte und des Zeitgeistes. Viele der Pressezeichner sehen sich selbst eher als Journalisten - aber auf keinen Fall als Politiker. Für ihre Arbeit brauchen Karikaturisten ein hohes Maß an künstlerischer Geschicklichkeit und vor allem Kreativität. Sie beobachten, wie alle anderen Künstler, unsere Welt und setzen ihre Erkenntnisse in Zeichnungen um. Die Karikatur ist eine Kunstform. Ihr Platz ist in Galerien und Museen, zumal viele der Zeichner noch weitaus mehr zu bieten haben, als die tägliche Karikatur in einer Zeitung. Dass die Gesellschaft in Deutschland der Karikatur einen höheren Stellenwert beimisst, daran arbeiten wir als Verband Cartoonlobby.

Wie bewerten Sie als Experte die deutsche Karikaturisten-Landschaft? Was unterscheidet deutsche Karikaturisten von französischen?

Es gibt in Deutschland zum Glück eine Vielzahl stilistisch unterschiedlicher Künstler, die sich mit Cartoon, Karikatur und Komischer Kunst beschäftigen. Daraus resultiert ein interessantes und breites Spektrum kreativen Schaffens. Um Nachwuchs muss man sich keine Sorge machen, entgegen einer weit verbreiteten Meinung unter den älteren Kollegen.

Jede Zeit hat ihre Ausdrucksformen und auch die Karikatur unterliegt einem steten Wandel. Was gute Satire und hohe Zeichenkunst ist, versuchen die bundesweit sechs Museen zu vermitteln, zu denen unser Cartoonmuseum in Luckau zählt.

Satire spielt bei unseren europäischen Nachbarn eine andere bedeutendere Rolle und steht in einer anderen Tradition. Der Umgang der französischen Zeichner mit Politik und Gesellschaft ist mitunter viel drastischer, antiklerikaler und tabuloser, als wir es hier kennen. Aber das würde jetzt ausufern – Ende diesen Jahres wollen wir uns den Unterschieden in einer gemeinsamen deutsch-französischen Ausstellung widmen.

An die aktuelle Stuttmann-Ausstellung schließt sich eine Ausstellung zum Lebenswerk des Eulenspiegel-Zeichners und –Mitbegründers Heinz Behling im Luckauer Museum an. Wie würden Sie das Lebenswerk Behlings beschreiben? Was erwartet die Gäste?

Kein anderer Zeichner hat das Gesicht der DDR- Karikatur und der Satirezeitschrift »Eulenspiegel« so geprägt, wie Heinz Behling. Er war ein Satiriker mit klarem Standpunkt und schaute dem Volk aufs Maul. Seine Karikaturen sind wichtige Dokumente des DDR- Alltags. Eine ironisch, kritische und unterhaltsame Geschichtsstunde erwartet die Besucher.

Das Lebenswerk von Heinz Behling ist seit nunmehr zwei Jahren im Besitz der „Sammlung_Museum für Humor und Satire“ unseres Museums. Die Ausstellung kann, räumlich bedingt, nur einen kleinen Querschnitt, durch das umfangreiche Schaffen des Klassikers der ostdeutschen Karikatur zeigen. Rund 140 Originalzeichnungen und Objekte spiegeln den Zeitraum des Neuanfangs bis hin zur politischen Wende in der ehemaligen DDR wider.


© Fragen von Daniel Schauff - Antworten von Andreas Nicolai